Wish & Weg

 

"Blöde Bücher. Das ist der fünfte Korb voll Altpapier. Und dann die scheiß Eichenmöbel. Ich hätte einfach alles verschrotten lassen sollen. Das bisschen Erbe lohnt den Aufwand nicht."
"Der Caritas-Pflegedienst hat dir doch angeboten, die Wohnung auszuräumen."
"Damit die sich alle Wertsachen unter den Nagel reißen?"
"Ich denke, es gibt hier keine?"
"Man kann nie wissen. Kriegsgeneration. Die haben das Hamstern doch gelernt. Wer weiß, ob der Alte nicht irgendwo was versteckt hat."
"Das hätte dir der Pflegedienst bestimmt gegeben."
"Ha ha."
"Es sind Nonnen, Martin. Die klauen nicht."
"Bist du nur naiv oder vollkommen blöd?"
"Der Schrank ist leer, was ist damit? Zerlegen und in den Container? Wenn du mit dem Bücherregal fertig bist, hilfst du mir, ihn abzurücken? Ich muss an die Rückwand."
"Okay. Ich rechts, du links. Jetzt zieh. Zieh, Anja! So wird das nichts, du kannst das nicht."
"Vielleicht besser immer nur eine Seite?"
"Erst meine. Komm her. Auf drei: Eins, zwei - drei!"
"Puh."
"Machst du schon schlapp?"
"Nein, geht noch. Jetzt die andere Seite."
"Fass weiter unten an, du bist mir im Weg."
"Entschuldige."
"Los jetzt. Eins, zwei, drei! Streng dich mal ein bisschen an, nochmal: Eins, zwei, dreeeiii! Reicht das?"
"Nein, reicht nicht."
"Da wirst du doch wohl hinter passen."
"Ich muss mich aber auch noch bewegen können, um die Rückwand abzunehmen."
"Zieh halt den Bauch ein. Als ich dich geheiratet habe, hättest du dahinter gepasst."
"Im Gegensatz zu dir, Martin, du warst schon damals - was ist denn das?"
"Was?"
"Da liegt was. Warte mal, da komm ich dran - hier. Ein Ring."
"Ist der wertvoll? Lass mal sehen - ach scheiße, das ist dieses blöde Ding, mit dem mein Großvater mich als Kind immer verarscht hat."
"Was?"
"Hatte ihn von irgendeinem Jahrmarkt. Tat immer so, als könnte er sich damit was wünschen."
"Und, hats geklappt?"
"Klar. Wenn man sich Hackbraten zu Mittag wünscht, den man schon den ganzen Morgen gerochen hat."
"Hast du dir auch mal was gewünscht?"
"Sicher. Bei mir hats aber nie funktioniert. Der Alte sagte immer, man muss sich was mit ganzem Herzen wünschen. Jetzt schmeiß das Ding weg, Anja, und bau den Schrank ab."
"Nein, lass mich doch mal. Wie geht das mit dem Ring? Muss ich den anstecken?"
"An den kleinen Finger. Klappt nur links am kleinen Finger. Wahrscheinlich, weil er über keinen anderen von Großvaters Wurstfingern gepasst hätte."
"Der ist viel zu groß. Und jetzt was wünschen? Was wünsch ich mir denn?"
"Wünsch dir, dass der Schrank sich selbst abbaut."
"Hm. Von ganzem Herzen wünsch ich mir... Aaaah! Was ist das? Martin? Martin! Wo kommt der Qualm her? Martin, wo bist du? Das ist jetzt nicht mehr komisch... Martin!... Der kann doch nicht einfach weg sein. Und was ist das für ein Gestank?... Das ist Schwefel, es riecht nach Schwefel..."


© Carolin Schlipf MMV